Bericht aus der Braunschweiger-Zeitung – Turnen in Vordorf

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GR-Serie: Eine Vordorferin wurde sogar deutsche Meisterin

 

Vordorf.  Serie „Kinder in Bewegung“ – Turnen: Beim TSV Vordorf hat die Sportart, bei der der gesamte Körper gefordert wird, eine lange Tradition.

 

Turnsport und der TSV Vordorf: Das ist eine Erfolgsgeschichte, die nun schon seit fast 100 Jahren anhält. Denn angesichts der Vereinsgründung im Jahr 1920 steht im kommenden April das große Jubiläum an. Es ist ein Jubiläum, das auch für die Sparte Turnen gilt, war sie doch seit Anfang an dabei.

 

Auf ganz so viele Jahre bei den Papenteichern kann Renate Reinecke selbstverständlich nicht zurückblicken, und trotzdem wäre diese Sportart in der 3000-Einwohner-Gemeinde ohne sie gar nicht denkbar. Seit 1980 leitet die heute 65-Jährige die Sparte ununterbrochen.

 

Anfänger- und Leistungsturnen

 

Dabei muss zwischen der Leistungsabteilung (25 Mitglieder) und dem Anfängerturnen unterschieden werden. Zu letzterem gehören das Eltern-Kind- (18) und das Kinderturnen (26). Betreut werden die Jüngsten von Reinecke. Bezüglich der Gesamtmitgliederzahl (69) sagt sie: „Das ist eine konstante Entwicklung. Eine Zeit lang war das Ganze rückläufig, es wurde aber von vernünftigen Müttern wieder in Gang gebracht.“ Toll sei zudem, dass sich die Größten im Verein um die Kleinen kümmern. Das gilt etwa für Kira Ackerknecht (15) und Tessa Liebich (17), die nach den Sommerferien die neue Gruppe „Spaß an Bewegung“ übernehmen werden.

Gemeint ist auch Trainerin Nele Berger, der vor fünf Jahren der größte TSV-Erfolg überhaupt gelang. 2014 gewann sie im bayerischen Hösbach völlig überraschend die deutsche Meisterschaft in der Wettkampfklasse KM 2 (Kür modifiziert) des Jahrgangs 1999/2000 – dabei war sie erst als Nachrückerin in das Starterfeld gerutscht. Im Vierkampf (Boden, Schwebebalken, Sprung und Stufenbarren) legte Berger eine derart beeindruckende Vorstellung hin, dass es für die Wertungsrichter keine zwei Meinungen bezüglich der Goldmedaillengewinnerin gab.

 

Bis Ende letzten Jahres trainierte die Sportlerin noch in der Turnhalle an der Hauptstraße 4 mit, bevor sie aufgrund von Rückenproblemen aufhören musste: „Allerdings wäre es auch zeitlich nicht mehr machbar gewesen, da ich dual studiere.“

 

Hoher Zeitaufwand für den Erfolg

 

Zeit, das ist auch der entscheidende Faktor in Sachen Leistungsturnen. Das Training findet viermal pro Woche statt, und das jeweils zwei bis drei Stunden – dazu kommen die Wettkämpfe. An Freizeitaktivitäten abseits der Schule ist da kaum noch zu denken. „Früher wurde sogar sechsmal pro Woche trainiert“, erinnert sich Reinecke. „Es braucht viel Verständnis des Mannes“, erklärt Trainerin Kim Ellmerich, die gemeinsam mit Michaela Hendel, Philine Wendt und Berger die 25 Mädchen anleitet.

 

Zum ersten Mal an Wettkämpfen nahm der TSV übrigens in den

1980er Jahren teil, damals allerdings noch auf Kreisebene. Erst Anfang der 2000er reisten die Athletinnen auch zu Bezirks- und Landesmeisterschaften – über letztere qualifizierte sich Berger für die deutsche Meisterschaft. Zudem schafften Talente aus Vordorf den Sprung in den Landeskader nach Hannover, weshalb Reinecke mit Stolz behaupten kann: „Wir haben ein sehr hohes Niveau und sind die Einzigen im Kreis Gifhorn, die auf Bundesebene starten.“

 

Als Ellmerich 2007 Trainerin bei den Blau-Weißen wurde, gab es in der Sporthalle allerdings nur alte Kästen, einen Bock und ein bis zwei dicke Matten. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Verein es so finanziert“, gibt sie mit Blick auf die mittlerweile hervorragende Ausstattung zu. Mit Blick auf Erfolge wie die von Berger lässt sich aus heutiger Sicht sagen: Es ist ein Aufwand, der sich definitiv gelohnt hat.

 

Talent, Körpergefühl – und der nötige Biss

 

Weltmeister 2007 und Goldmedaillengewinner bei Olympia 2016 am Reck: Fabian Hambüchen ist der erfolgreichste deutsche Kunstturner – und für viele Athletinnen und Athleten ein Vorbild.

 

Nele Berger, Trainerin der Leistungssparte des TSV Vordorf, erklärt, was nötig ist für den Erfolg: „Es braucht Talent, die Vorgaben schnell umsetzen zu können, das Körpergefühl, den nötigen Biss, sich quälen zu können, und den Willen, weiterkommen zu wollen.“

 

Wie wichtig dabei kurzfristige Lernfortschritte sind, weiß Berger nur zu gut: „Wenn sich der Flow nicht einstellt, kann man auch schnell mal zu Tode deprimiert sein.“ In diesem Fall kann eine Auszeit nicht schaden. „Es gibt immer wieder Mädchen, die ein bis zwei Jahre Pause machen und dann im Leistungsturnen richtig durchstarten“, verrät die Trainerin. „Man muss aber auch den nötigen Background haben, also ein Zuhause, das einen unterstützt“, ergänzt Abteilungsleiterin Renate Reinecke.

 

Ein typisches Training der Leistungsgruppe, bestehend aus Mädchen im Alter zwischen 5 und 18 Jahren, sieht dabei wie folgt aus: Erst gibt es 30 bis 45 Minuten Erwärmung, dann geht es an die Geräte: Schwebebalken, Sprung, Boden und Stufenbarren, den Reinecke gerne als „Teufelsreck“ bezeichnet. Bei den Prüfungen ist dann Nervenstärke gefragt: „Man muss da alleine durch, das ist eine echte Herausforderung“, betont Trainerin Kim Ellmerich.

 

Weiterhin sei Turnen aber auch gut in Sachen Organisation, erläutert die TSV-Vorsitzende Torgard Liebich: „Ob beim Aufbauen der Geräte oder Wegräumen der Matten: Verschiedene Altersgruppen helfen und trösten sich gegenseitig, jeder muss alles machen. Das fördert die soziale Kompetenz und bringt einen auch privat weiter. Zudem fordert die Sportart den ganzen Körper.“

 

Diesen Punkt greift auch der Vorsitzende des Kreissportbunds Gifhorn, Hans-Herbert Böhme, auf: „Turnen ist die Grundlage jeder Sportart. Wer Turnen gelernt hat, hat seinen Körper so weit im Griff, dass er jede andere Sportart bestens ausüben kann.“ Gerade die Ausübung im Kindesalter sei unheimlich wichtig, da dadurch der Gleichgewichtssinn und die Beweglichkeit geschult werden. „Deshalb unterstützen wir es auch gerne“, sagt Böhme.

BU: Sie vertreten auch auf Landes- und sogar Bundesebene die Farben ihres Verein: 25 Mädchen gehören der Leistungsturnsparte des TSV Vordorf an.

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